Das Ausgangsmaterial all dieser Arbeiten sind vorgefundene Bildausschnitte, meist fotografische Ansichten der Wirklichkeit: unberührte Landschaften und idyllische Naturszenen, historische Architektur und die unterschiedlichsten Menschenbilder aus der Kunstgeschichte sowie der zeitgenössischen Konsum- und Medienkultur. Die genannten Motive werden aus ihrem ursprünglichen Kontext isoliert und in Kombination mit Textzitaten aus anonym bleibenden Beispielen der Trivialliteratur sowie grafischen Elementen zu einer völlig neuen Bilderzählung arrangiert, die auf hintersinnige Weise mit räumlichen und zeitlichen Dimensionen und mit der Kraft symbolischer Bedeutungen jongliert.
Für die Analyse der Wechselwirkung zwischen der öffentlichen Bildkultur und der von dieser nachhaltig beeinflussten privaten Wahrnehmung entwickelte die Künstlerin zwei differenzierte Kompositionsverfahren, die sich des vielgestaltigen Rohmaterials auf gleichermaßen sensible wie reflektierte Weise bedienen.
In den groß angelegten Bildtafeln dominiert eine straffe Bildorganisation. Ein meist streng geometrischer Raster wird zum Rahmen für eine symmetrisch angelegte, aber letztlich linear fortlaufende Abfolge von Einzelbildern, in welchen verschiedene Aspekte des jeweils thematisierten Phänomens dargestellt werden. Form, Zuschnitt und Anordnung der einzelnen Bildfelder erinnern an Comic-Strips, doch im Gegensatz zu der damit konnotierten erzählerischen Dynamik unternehmen die minuziös variierten Einzelbilder eine feinsinnige, detaillierte Analyse ihres Vorwurfs. Was auf den ersten Blick eingängig, ironisch, ja sogar schräg wirken mag, erschließt seine tiefere Bedeutung allerdings erst bei einer eingehenden Betrachtung. Jedes Arrangement will decodiert und auf die kleinen Unterschiede hin untersucht werden, welche die nur scheinbar identen Wiederholungen zu Einzelbildern machen, die sich zu einem engmaschigen, betont ornamentalen Muster fügen. Großes Augenmerk wird dabei dem Zeitablauf, dem innerbildlichen Fortschreiten der Erzählung gewidmet. Sogar die Leserichtung wird gelegentlich durch eine Nummerierung der Bildfelder definiert, welche Phasen des Wandels vor Augen führen.
Zu den bevorzugten, immer wiederkehrenden Motiven dieser Bilddichtungen zählen die Pyramide (als Symbol für zu überwindende Hindernisse am Weg zum Objekt der Sehnsucht), das von Dornenkränzen umschlossene oder durchbohrte Herz (das wie die Rose für die Liebe in all ihren Schattierungen steht) und der Vogel (der erotisches Begehren vergegenwärtigt). Diese Sujets beleuchten Andrea Freibergers Collagen, deren Aufmachung und Ausstattung nicht von ungefähr an didaktische Schautafeln gemahnt, von verschiedensten Standpunkten und generieren damit eine systematische, nachgerade erläuternde Darstellung fiktiver wie realer Positionen im Verhältnis der Geschlechter.
Ganz anders verfährt die Künstlerin auf ihren Kleinformaten, die jeweils eine ausgewählte Situation der Begegnung zwischen Frauen und Männern präsentieren. Vor der fantastischen Kulisse historischer Gebäude, die in traumhafte Naturlandschaften versetzt wurden, treffen die schon vertrauten Akteure aus Kunst, Geschichte und Medienkultur unmittelbar aufeinander: der soignierte Herr im schwarzen Anzug blickt schmachtend zu einer nackten Lolita auf, ein sinnender Alter träumt vor dem Porträt einer Königin im weißen Schleier, dem strammen Burschen in martialischer Lederuniform stehen drei eigenwillige Grazien gegenüber, der Blick eines weiblichen Halbaktes richtet sich begehrlich auf den überdimensionierten Kopf einer Raubkatze. Doch erst die Beifügung einer knappen, aussagekräftigen Textzeile bringt die bedeutungsgeladenen Kompositionen, in denen noch das geringste Detail von höchster Symbolkraft ist, auf den Punkt. Die zarte Elfe bittet mit feuchten Augen um Erbarmen, der alte Mann unternimmt wagemutig einen Annäherungs-versuch, die drei Schönen prüfen die Willigkeit des kraftstrotzenden Jünglings und eine erhobene Hand gebietet dem Verlangen der sinnlichen Frau Einhalt. Das aufwändig inszenierte Figurentheater erhellt in schnellen Schnitten blitzlichtartig spezifische, aus weiblicher Sicht wahrgenommene Seinszustände und illustriert in loser Folge ausgewählte Facetten von Liebe, Lust und Leidenschaft. Die klassische Einheit von Ort, Zeit und Handlung ist in den randvoll mit ironischen Anspielungen und erotischen Symbolen bepackten Kompositionen bewusst aufgehoben. Ungeniert vermischt die konstruierte Perspektive Images und Imaginationen verschiedenster Provenienz. Die Loslösung der einzelnen Bildfragmente aus ihren historischen Bezügen, welche indessen gleichwohl in der Rezeption weiter wirken, vermittelt den Darstellungen nicht nur krasse Eindeutigkeit und Zeitlosigkeit. Zugleich schafft diese Verfahrensweise auch eine gewisse Distanz zum Betrachter, was jede voyeuristische Annäherung an den immer noch als delikat apostrophierten Themenkomplex unterbindet. Im imaginären Raum des Bildes avancieren die kritischen, autobiografisch gefärbten Stellungnahmen der Künstlerin zur freimütigen, über den konkreten Augenblick hinaus gültigen Schilderung menschlicher Befindlichkeit.
Damit gelingt Andrea Freiberger nicht nur eine innovative Werkreihe, die durch Originalität und Überzeugungskraft besticht. Indem sie kenntnisreich und unbekümmert zugleich die geläufigen Strategien der Bildfindung und Bilddeutung modifiziert, schreibt sie auch die Geschichte des Mediums Collage auf überaus spannende, überzeugende und auch unterhaltsame Weise fort.